Schalkefans helfen bei Problemen mit der Polizei

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Interview

Auch an diesem Wochenende stehen wieder zahlreiche Fußballspiele an. In den oberen Ligen werden wieder zehntausende Fans mit ihren Clubs durch die Republik reisen. Seit geraumer Zeit beklagen Fanvertreter, dass sie sich wie Freiwild fühlen und immer wieder von ungerechtfertigten Polizeimaßnahmen betroffen sind. Beim FC Schalke sind die Ereignisse vom Champions-League-Spiel gegen PAOK Saloniki noch in unguter Erinnerung. Bei dem Spiel hatten Polizeikräfte die Nordkurve in der Gelsenkirchener Arena gestürmt, um eine Mazedonien-Fahne zu beschlagnahmen, und über 80 Menschen verletzt. Mittlerweile wird gegen 23 Polizisten und 40 Schalkefans ermittelt.
Auch wegen dieser Vorfälle haben sich einige Anhänger des blau-weißen Clubs jetzt entschieden, eine Rechtshilfe von Fans für Fans zu gründen. Seit dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende ist die Königsblaue Hilfe aktiv und unterstützt Fans, die Probleme mit der Polizei haben. Wir haben mit dem Gladbecker Anwalt und Schalkefan Thomas Wings über das Projekt gesprochen.

Ruhrbarone: Wie kam es zur Gründung der Königsblauen Hilfe?

Thomas Wings: Wir haben schon länger den Bedarf gesehen so etwas auch in der Schalker Fanszene zu gründen. Es gibt schon viele Fanhilfen, insbesondere unser großes Vorbild die Rot-Schwarze Hilfe beim 1. FC Nürnberg. Dann kam noch das Spiel gegen PAOK Saloniki dazu, bei dem die Polizei bekanntermaßen mit mehreren Hundertschaften die Nordkurve gestürmt hat. Das ganze wegen einer angeblichen Volksverhetzung, die im Block stattgefunden haben soll. Dieser ganze Vorfall war äußerst unverhältnismäßig von Seiten der Polizei, es gab viele Verletzte und im Anschluss Strafverfahren gegen Schalkefans. Das hat uns dann am Ende dazu bewogen, mit den Planungen für eine Schalker Fanhilfe zu beginnen. Seit dem Jahreswechsel sind wir in Vorbereitungen und haben dann Ende März den Verein gegründet. Dahinter steht ein Solidarprinzip, Menschen Hilfe geben zu können, die diese brauchen. Bei den Nürnbergern klappt das ganz gut, die machen auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit und so was möchten wir auf Schalke auch etablieren.

Ruhrbarone: Wie setzt sich euer Verein bisher zusammen, sind Fanclubs beteiligt?

Thomas Wings: Unsere großes Ziel ist es, das ganze Fanclub übergreifend zu machen. Die Schalker Fanszene ist sehr heterogen. Es gibt sehr unterschiedliche Gruppen, die sich auch auf verschiedenste Arten artikulieren. Wir möchten, dass bei uns jeder Mitglied werden kann und unsere Hilfe in Anspruch nimmt, wenn sie benötigt ist. Auch unsere Gründungsmitglieder kommen aus verschiedenen Strömungen, und wir bieten im Moment eine Einzelmitgliedschaft an und keine kollektiven Mitgliedschaften für Fangruppen. Nach der Gründung ist unser Vorstand auf Fangruppen zugegangen, hat das Projekt vorgestellt, und wir hoffen, dass möglichst viele Menschen bei uns Mitglieder werden.

Ruhrbarone: Habt ihr auch Kontakt zum FC Schalke 04 aufgenommen?

Thomas Wings: Ja haben wir. Wir wollen auch eine Mediation bei Stadionverboten anbieten. Konkret bedeutet das, dass jemand der zu einer Anhörung wegen eines Stadionverbotes gehen muss, dort nicht alleine hingeht sondern jemanden von uns dabei hat. Wir haben einen professionellen Mediator an Bord, der dann mitgehen kann und dazu beitragen soll, dass eine Anhörung deeskalativ verläuft.

Ruhrbarone: Die Ultras Gelsenkirchen haben ja jetzt auch einen Repressionsfonds gegründet, seid ihr da auch in Gesprächen?

Thomas Wings: Unser Vorstand ist da auch in Gesprächen. Jetzt sind erst mal zwei vt-wingserschiedene Gruppen im gleichen Zeitraum entstanden. Das ist wohl der Heterogenität der Schalker Fanszene geschuldet. Wir werden mit Sicherheit nicht gegeneinander arbeiten, und dann sehen wir mal, wozu die gemeinsamen Gespräche führen.

Ruhrbarone: Ihr bietet ja ein „Spieltagstelefon“ an, kann ich mir das vorstellen wie einen Ermittlungsausschuss bei linken Demonstrationen?

Thomas Wings: Ganz genau so kannst dir das vorstellen. Es hat eigentlich die selbe Funktion und arbeitet nach dem selben Prinzip. Jemand der in Not gerät, kann das Spieltagstelefon anrufen und bekommt dann die entsprechende Hilfe gestellt. Das umfasst erst mal Information, eine kurze Beratung und die Weitergabe an einen Anwalt, der sich direkt mit dem Fall befasst, wenn das notwendig ist.

Ruhrbarone: Wie viele Anwälte habt ihr an Bord?

Thomas Wings: Im Augenblick sind zwei Anwälte Mitglieder bei uns. Die Nürnberger Rot-Schwarze Hilfe betreibt ihr Projekt auch mit zwei Anwälten. Wir haben aber schon Anfragen von einigen Kollegen bekommen, die bereit sind uns zu unterstützen.

Ruhrbarone: Wollt ihr auch bei Auswärtsspielen dabei sein?

Thomas Wings: Das ist unser Ziel! Wir sind natürlich noch in der Gründungsphase, hoffen aber, zum Beginn der nächsten Saison auch dauerhaft vor Ort Hilfe anbieten zu können. Anwälte stehen immer telefonisch bereit, bei Auswärtsspielen werden dann Anwälte oder Referendare dabei sein, um sich am Ort des Geschehens kümmern zu können.

Ruhrbarone: Im Selbstverständnis der Königsblauen Hilfe steht, dass ihr unschuldig von Repression Betroffene unterstützen wollt. Wie ist es mit der Unterstützung bei komplizierteren Sachverhalten, zum Beispiel Pyrotechnik oder beleidigenden Bannern?

Thomas Wings: Da müsste man ja erst mal die Gegenfrage stellen, was ist Schuld und was nicht? Das ist im Zweifel eine moralische Kategorie. Wir haben uns, sehr bewusst, dafür entschieden, die Erfolgsaussicht bei einem Unterstützungsfall auszuklammern. Bei uns gibt es einen Hilfeausschuss, an den wendet sich eine Person die Unterstützung benötigt. Der Hilfeausschuss entscheidet dann, ob und in welchem Rahmen wir Hilfe leisten. Die Frage nach Schuld oder Unschuld ist da aus meiner Sicht erst mal zweitrangig. Wenn du jetzt Pyrotechnik ansprichst, wäre das natürlich ein klassischer Fall, um Hilfe zu leisten. Da geht es ja um eine Grundsatzfrage des Fanlebens, ob Pyrotechnik legalisiert werden soll. Und Menschen, die deswegen von Repressionen betroffen sind, würden selbstverständlich Hilfe erhalten. Die Grundsatzfrage für Hilfe ist, ob eine vorgeworfene Tat in direktem Zusammenhang mit dem Fandasein zu tun hat. Wenn jemand zum Beispiel wegen einer zurück liegenden Straftat, die nichts mit Fußball zu tun hat, verhaftet wird, dann wäre die Person vielleicht nicht so gut bei uns aufgehoben.

Ruhrbarone: Du sprichst jetzt von Fandasein, im Januar gab es ja eine größere Schlägerei in Köln, wären die Jungs, die da beteiligt waren, bei euch an der richtigen Stelle?

Thomas Wings: Das würde ich sagen ist eine Grauzone, es wäre auf jeden Fall eine Einzelfallentscheidung. Das müsste innerhalb des Hilfeausschusses diskutiert werden. Wenn jetzt jemand mit einem ähnlichen Fall zu uns kommen würde, dann müsste der Hilfeausschuss das entscheiden. Global kann man das nicht beantworten, da spielen viele konkrete Fragen eine Rolle. Besteht ein Fußballzusammenhang oder nicht? Hat jemand angegriffen, ist jemand angegriffen worden?

Ruhrbarone: Schilder’ doch mal, wie das ablaufen würde, wenn ich jetzt bei einem Spiel verhaftet würde, was würdet ihr dann für mich tun?
kbh-telefon
Thomas Wings: Voraussetzung wäre erst mal, dass du Mitglied bist, das unterstellen wir jetzt erst mal. Wenn du oder ein Freund es schaffen, bei der Festnahme das Spieltagstelefon anzurufen, dann erkundigen wir uns natürlich erst mal bei der Polizei, was los ist, wann du entlassen wirst, dann weiß die Polizei, dass ihr Verhalten beobachtet wird. Ziel eins ist eine möglichst rasche Entlassung aus dem Polizeigewahrsam. Wenn dann ein Ermittlungsverfahren gegen dich eingeleitet wird, hast du Anspruch auf rechtliche Beratung. Wenn dein Fall sich dann eignet, würden wir dich unterstützen, wenn es die Kassenlage hergibt, für deine Kosten aufkommen und dir im Prozess beistehen.

Ruhrbarone: Steht ihr im Austausch mit anderen Fanhilfen?

Thomas Wings: Ja, in Nürnberg haben wir uns viele Tipps geholt, ich habe mich auch mit den Kollegen, die dort auf anwaltlicher Ebene tätig sind, ausgetauscht. Und auch zu anderen Fanhilfen gibt es Kontakte.